Leicht schaukelnd liege ich in der Hängematte, lausche dem Zirpen der Grillen und Wind, der durch die exotischen Pflanzen im Garten weht. Die Fische im Teich schnappen nach Insekten und lassen hie und da das Wasser planschen. Der Panzer der Schildkröte schimmert im Mondlicht. Die Geckos jagen sich gegenseitig auf der rot angestrichenen Hauswand unter der Laterne. Von weit her sind Frösche zu hören. Das Personal, der mit Liebe zum Detail eingerichteten Pousada, unterhält sich in ihrem Sing-Sang-Brasilianisch. Der fremde und doch so bekannte Duft, der in mir Erinnerungen weckt, dringt in meine Nase. Eine angenehme Müdigkeit beherrscht mich. Ich kann mir dieses kleine zufriedene Lächeln auf meinen Lippen nicht verkneifen. Die Liegeposition in der Hängematte ist perfekt. Mein Kopf liegt schön auf, und alle Sinne nehmen die verschiedenen Eindrücke pur und ungefiltert auf. Ich und meine Seele sind angekommen. Definitiv. Südamerika. Brasilien. Praia da Pipa. Erst jetzt. Nach 6 Tagen als mein Flugzeug in Natal, der Hauptstadt des Bundesstaates „Rio Grande Do Norte“ im Nordosten des Landes landete.

Dort wartete sie. Eine kleine, zierliche, junge Frau. Isabela Miranda da Silva hiess mich am Flughafen willkommen. Unangekündigt. Doch vermutete ich schon, dass sie dort sein werde. Ist es nicht ein schönes Gefühl an einem fremden Ort abgeholt zu werden? Die junge „Natalense“ erwies sich in den Tagen in Natal als ein wahrer Engel. Hilfsbereit, selbstlos, bescheiden, herzlich, lustig und echt. Isa spricht nur ihre Landessprache. Mein durch die Spanisch-Kenntnisse improvisiertes Portugiesisch wurde so gefordert. Eine neue Sprache bedeutet Herausforderung und Spass. Ich mag es neue Orte auf eigene Faust zu erkunden. Doch diesmal war es anders. Isabela Miranda da Silva, vor einem Monat über Couchsurfing.com kennengelernt, führte mich jeden Tag umher, organisierte, „tramitierte“, machte alles um ihrem neuen ausländischen Freund eine unvergessliche Zeit zu bescheren. Es gelang ihr.

Natal… Traumstrände. Hässliche, hohe Wohnhäuser. Schöne Quartiere in kolonialem Stil. Touristische Flanierzonen mit Blick auf das Meer. Busfahren. Sich in den Kurven festhalten. Menschen beobachten. Dunkle Haare, helle Haut, dunkle Haut, helle Haare, vor allem dunkle Haut und dunkle Haare, afrikanisch, europäisch, übergewichtig, indigen, arrogant, schöne Augen, Ausstrahlung, bitchig, nicht bitchig, fett, wunderschön, Traum-Masse, herzlich, alles halt; Brasilianerinnen, viele Brasilianerinnen…. Männer in Shorts , T-Shirt und Jogging-Schuhen. That’s it. Genauso wie damals die Flüchtlinge aus Exjugoslawien bei uns. Einfach mit runden und braungebrannten Gesichtern. Hier halt zu heiss und schön um sich um Outfits zu kümmern; Brasilianer. Die Atmosphäre schreit nach Musik, Tanz, Flirt, einem besserem staatlichem System und allem was dazu gehört. Der Duft von Fleischspiesschen vom mobilen Grill zieht durch die Strassen. Caipirinha- oder roska. Die Machete hackt auf die Kokosnuss ein. Einer der schönsten alltäglichen Genüsse in diesem Land; Kokosnuss schlürfen. . Forro, Baile-Funk, Musica Popular Brasileira „MPB“, Samba, Bossa, Axe etc. Sich schon wieder nach jemandem umdrehen und vor allem eine gewisse Stelle begutachten. Verrückte Autofahrer. Schwitzen. Sich über seine plötzlichen Portugiesisch-Fähigkeiten erfreuen. Sich über sein begrenztes Portugiesisch aufregen. Ableiten. Wie hiess es nochmals auf Französisch oder Spanisch? Egal, ein kaltes Bier mit breitem Grinsen trinken. Ins Meer hüpfen. Fussball spielende Kids auf Sand. Ein Surfer hier und Body-Boarder da. Fischer die ihre Netze flicken. O sorteio da copa – die WM-Auslosung. Sepp Blatter, brasilianische Schauspieler und Models im Fernsehen. Brasil-Tangas. Der Strand. Schön ist es hier. Doch. Sehr sogar! Natal…

Es war ein wahrhaftig ausgefülltes Programm während den Tagen in Natal. Entdecken, kennen lernen, organisieren. Dazwischen natürlich immer wieder geniessen und in die Kultur eintauchen. „Intercambio“. Und da war doch noch die Idee vom Versuch eines kleinen Dokumentarfilms.. oder so ähnlich. Sie besteht immer noch. Dank Alex von Swissinfo, schlussendlich aber den vielen Telefonaten und Erklärungen von Isabela vor Ort, wurde ich als einziger Ausländer für das Vorkarnevalsfest „Carnatal“ akkreditiert. Die Vorfreude auf die kommende Karneval-Zeit wird in Brasilien entsprechend zelebriert. Tausende von Menschen, grosse Bühnen, Stars, Tanz, laute Musik und alle schreien die Songs mit. Euphorie und Gemeinschaftsgefühl. Und Alkohol…… Und Sex…… Es weiss wie man feiert, das Brasilianische Volk. Schön ist es hier. Doch. Sehr sogar. 😉 Das Fussballstadion „Arena Das Dunas“ steht für die Weltmeisterschaft 2014 immer noch im Bau. Es soll eines der Schönsten vom ganzen Land werden. Die Brasilianer aber haben dafür kein Verständnis. Das Geld muss woanders hin, und nicht in ein Stadion investiert, dass nach der WM seinen Nutzen verliert. Natals Fussballteams spielen höchstens in der dritten Division. Trotzdem, man freut sich auf die WM, und sieht der Möglichkeit, dass die „Seleçao“ nicht den sechsten Titel holen wird, ziemlich gelassen gegenüber. Gelassenheit; eines der vielen treffenden Wörter um Brasilianer zu beschreiben. „Humorvoll“ gehört auch dazu. So wie die Freunde von der kleinen Fee Isabela. Okey, die meisten homosexuellen Menschen haben einen ausgeprägten Sinn für Humor. Zu fünft im Auto fuhren wir an die Strände mit Dünen und Süsswasserlagunen im Norden der Stadt. Es wird geplaudert, gelacht, gesungen und im Sitzen getanzt. Brasilien eben.

Abends zurück im hypen Quartier „Ponta Negra“ auf Plastikstühlen im Sand dem Meer lauschen, die letzten kalten Bierchen, unkompliziert die Seele baumeln lassen, ein Spruch da, ein Witz hier. Manchmal verstand ich, manchmal nicht. Egal. A vida e boa. Ihre Freunde tanzen, nicht nur im Auto, sondern beruflich. Im kulturellen Quartier beim alten Hafen besuchten wir eine Aufführung. Contemporary Dance & Theater vom Feinsten. Tänzer mit geistigen aber vor allem körperlichen Behinderungen die uns Zuschauer schockierten während 45 Minuten irgendwie schockierten und so in den Bann zogen. Chaos, Faszination, kontradiktorische Spielereien an der Grenze zwischen Lebensfreude und Dramaturgie, die aufmuntern und das Leben reflektieren lassen. Die Tage in Natal hatten es in sich. Mit meiner Canon 60 D, die ich immer noch nicht ganz verstehe, ein Interview mit einem transexuellen Fernsehstar der Region am Grossanlass „Carnatal“ („einem“ oder „einer“? I think it was a „he-she“ and not a „she-he“), oder mit einem Mann aus der Favela auf einem holprigen Fussballplatz mit Sicht auf das Meer. So ganz recht will ich die Kamera aber doch noch nicht auf jeden und jede Richten. Der Versuch eine kleine „Dok“ zu drehen pendelt zwischen „i ha Ferie – ma nid“ und „z’geil , i bi hie, das vor dr WM, perfekt, i mues Gas gä“. Zeit habe ich ja noch. Zeit für mich hatte ich aber in Natal nicht. Auch gut so. Gechillt wurde selten. „You’re a busy boy Sandro!“. Carmen, die Engländerin, die in Ponta Negra eine Art Pousada führt, sah mich selten. Doch am letzten Abend kiffte ich mit ihrem Mann, Arno, dann doch noch bis tief in die Nacht hinein. Mit einem professionellen, alten Gitarristen aus Holland, der die Welt gesehen hat, muss man doch einfach mal richtig labern, lachen und philosophieren… und einen Joint nach dem anderen mit dem typisch schlechten südamerikanischen Gras rauchen. Vor allem wenn man zuvor jeden Tag dazu eingeladen wird. „You’re a lucky Boy, Sandro!“. Dies seine Meinung. „You met good people, which is not common here“. Als Ausländer mit europäischer Herkunft in Brasilien Geschäfte zu machen und zu leben ist halt schon anders, als einfach nur zu reisen. Und unter uns gesagt, vor allem wenn du nach Jahren in Brasilien immer noch nicht richtig Portugiesisch sprichst. Oder… hat das was mit Karma zu tun? Anyways…. Ja. Über Airbnb.com fand ich dieses erstes zu Hause, indem ich mich rundum wohl fühlte. Über Airbnb werde ich dann ab Donnerstag oder Freitag in Olinda bei einer ca. 60 jährigen Frau und ihrer ca. 80 jährigen Mutter wohnen. Gebucht aus meinem Laptop hier, der auf meinem Bauch lieg. Der Einstieg meines Südamerika-Aufenthaltes in Natal war wunderbar und gelungen. Ach ist es schön die westliche Welt und alles was zu Hause ist ab und zu hinter sich zu lassen….

Mein Respekt und meine Hochachtung geht selbstverständlich an die kleine Fee, das kleine purpurrote Herz in menschlicher Gestalt, Isabela Miranda da Silva. Neben vielen anderen Menschen, die Hauptprotagonistin meiner Geschichte in Natal. Menschen kommen, Menschen gehen. Verabschieden gehört dazu. Die Reise geht weiter….

….Schlussendlich wird unsere Galaxie ja sowieso vom schwarzen Loch verschlungen. Mit im Menü unsere Erde, die liegt im uns bekannten Sonnensystem. Es gibt wahrscheinlich ca. X-Mio Sonnensysteme in unserer Galaxie (Milchstrasse), darunter X-Mia Sonnen, die wir als Sterne wahrnehmen. Okey? Und Galaxien gibt es, in ähnlicher Form wie unsere, auch wieder ein paar X-Mia. Diese entstehen, und sterben wieder. So wie ein Blatt oder eine Ameise. Oder so wie Du und ich! Ameise und Du leben einfach nicht so lange 😉 Dieser Zyklus steht wohl seit eh und je irgendwo fest geschrieben. Darum lieber Hansjakobli Hugetobler– reg di nid zfescht uuuf, isch doch glich wen am Nachbar si Busch über di Haag ragt! 😉

Ke Ahnig warum ig das iz gschribe ha. Weil man versuchen sollte den Moment zu geniessen, leben und leben lassen und weil ich nun fertig bin mit meinem kleinen Reisebericht-Prolog und langsam beginne Schwachsinn zu erzählen und abdrifte. Als ich vor sieben Jahren während zwölf Monaten auf diesem Kontinent unterwegs war, schickte ich nur zwei solcher Mails rüber in die Schweiz. Vielleicht werden es diesmal ein bisschen mehr. Ich habe keine konkrete Idee an wen ich diese kleine Geschichte, in der ich natürlich nur „a glimps of my first days“ schilderte, schicken soll. Na dann halt einfach ganz spontan an dich, weil Du mir gerade eben in den Sinn kommst! Read it or leave it 😉 Doch du sollst wissen; du bist dort, weit weg, in der Schweiz, ich bin hier, und ich denke gerade jetzt an dich! Manchmal sogar noch öfters als nur jetzt!

Com amor do Brasil
Sandrinho

Und ganz zum Schluss:

Um dos maiores presentes que voce pode dar a alguem e o seu tempo, dar o seu tempo, e dar uma porcao da sua vida que nunca mais volta

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